Geschichtstafel: Der malerische Winkel von Rhade

Der malerische Winkel von Rhade

Text der Tafel:

Städte und Dörfer sind Produkte geschichtlicher Entwicklung. Straßen und Wegenetze‚ Bürger- und Bauernhäuser, Kirchen, Verteidigungsanlagen und sonstige Bauwerke markieren den Lauf der Geschichte und bezeugen den Wandel der sozialen, wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse sowie der künstlerischen und wissenschaftlichen Auffassung. Als zeitgeschichtliche Dokumente geben sie uns zugleich Hinweise auf die Ursachen der Entwicklung, in dem wir die historische Bausubstanz schützen und pflegen und dabei versuchen. ihre Bedeutung zu verstehen, Iemen wir zugleich unser Zeitalter besser einzuschätzen.

Allerdings solitien wir uns hier nicht nur auf die Bewahrung der bedeutendsten Bauwerke konzentrieren, da insbesondere die vielen Obiekte mit scheinbar geringerer, nur örtlicher Bedeutung, entscheidend dazu beitragen, Vergangenes auch heute noch zu begreifen. Allein die Schönheit alter Strukturen und die Liebenswürdigkeit vieler Details sollte, ohne nostalgischer Schwärmerei zu unterliegen, Grund genug für ihren Schutz sein.

Der alte Rhader Dorfkern hat jedoch erfreulicherweise auch heute noch weitgehend seinen ländlichen Charakter erhalten. Das liegt zum einen an den z. T. Iandwirtschaftlich genutzten Gehöfien. die sich um den eigentlichen Ortskern gruppieren, zum anderen an der Bebauung mit Wohn- und Geschäftshäusern im Dorfkern selbst.

Die Ansicht der Tafel zeigt den Rhader Dorfkern wie er bis ca. 1950 noch erhalten war, jedoch wurde ein Teil der alten Fachwerkhäuser inzwischen modernisiert. Die Grundzüge der historischen Struktur sind jedoch auch heute noch, wie ein Gang durch den Malerischen Winkel zeigt, deutlich erkennbar. Dies ist besonders an der ringförmigen Anlage der Gebäude um die Kirche und den ehemaligen Friedhof zu sehen. Die Gesamtanlage des Dorfkerns hat eine kreisförmige Struktur mit Verbindungsgassen, die auf die Kirche als zentralen Punkt zulaufen. Auch die Stellung der Gebäude nimmt Bezug auf den Dorfmitteipunkt. Die Giebel und die Längsachsen der Häuser sind auf den Kirchturm ausgerichtet.

Für dle kreisförmige Anlage eines Dorfes im westfälisch norddeutschen Raum dürften kultlsch-religiöse wie auch wehrtechnische Gründe maßgeblich gewesen sein. So sind die runden, den Standort der Kirche umgebenden Friedhöfe in der Regel mit dem umhegten Platz identisch, der in vorchristlich-heidnischer Zeit den sog. Thingplatz, d. h. die Gerichts- und Opferstätte urngab, während die erste‚ hier gegründete christliche Kapelle, ein Holzbau, die Stelle bezeichnet, an dem unsere heidnischen Vorfahren religiös – kultische Handlungen vornahmen.

Rhade, der Dorfname wurde möglicherweise abgeleitet von Rodung und ist seit 1489 dokumentiert*. An der Stelle der heutigen Kirche St. Urbanus befand sich bereits 1571 eine Kapelle. Die weitere Besiedlung erfolgte ringförmig um die Kirche (1) und den Friedhof (2), der im Rahmen der Kirchenerweiterung (um 1951/1952) eingeebnet wurde. Das Dorf wurde wahrscheinlich aus wehrtechnischen Gründen ringförmig angelegt. Im Mittelalter wurde der Dorfkern vermutlich von einem Wall mit einer daraufstehenden geflochtenen Hecke und einem zusätzlichen Graben umgeben. Befestigte Zugänge befanden sich an den Einmündungen der Debblngstraße (A) in die Erler Straße (F), die Lembecker Straße (E) in die Debbingstraße (A), möglicherweise auch an der Einmündung des Schlattweges (D) in die Schützenstraße (C). Von diesen sogenannten Hecks aus konnte in Kriege zweiten sehr schnell, eine – damals in ca. 500 Meter südlich vom Standort gelegene – Fliehburg (Hoß Kalverkamp)
erreicht werden.

Text: Fritz Oetterer,
Quelle: Buch Rhade Band 2

*Bem.: Dokumentiert ist Rhade seit 1217, die Abpfarrung von Lembeck erfolgte 1489.

Wikipedia zum Künstler Heinrich Everz (1882-1967)